Der Spiegel der Bewunderung
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"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar."
Antoine de Saint-Exupéry
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Dieses Zitat hat mich mein Leben lang begleitet. Der berühmte Autor des Kleinen Prinzen hat viel Weisheit in wenige Worte gepackt. Und diese Worte können der Ausgangspunkt für viele Geschichten über das Leben und die Natur des Menschen sein. Komm mit mir auf die Reise in die Welt der Gaben und Lebensaufgaben und entdecke deine. Es ist die Geschichte über Spiegel der Bewunderung.
Spiegel der Bewunderung sind winzige Wesen, die in jedem von uns leben. Sie suchen sich ihr Zuhause in den Herzen der Menschen, von wo aus sie in die Welt hinausschauen, buchstäblich aus der Perspektive des Herzens. Wusstest du, dass auch du so eine wertvolle Kreatur in dir trägst? Hör gut zu, wenn ich dir davon erzähle.
Der kleine Spiegel der Bewunderung, von dem diese Geschichte handeln soll, sitzt glücklich und zufrieden an seinem Lieblingsort im Herzen seines Menschen und beobachtet die Welt. Er ist ein besonderer Spiegel, denn er ist auf beiden Seiten verspiegelt. Die eine Seite schaut hinaus in die Welt und die andere Seite behält im Blick, was es im Inneren des Herzen so alles gibt. Tagein und tagaus schaut und beobachtet er unermüdlich... Bis einer dieser besonderen Momente passiert, an dem seine zwei Spiegelseiten das gleiche Bild zeigen. Das ist immer sehr aufregend, denn es bedeutet, dass die Innenwelt mit der Außenwelt in etwas übereinstimmen. Das Herz birgt viele Schätze und es ist die Aufgabe des Spiegels der Bewunderung, sie zu finden. Man kann es sich vielleicht fast wie eine körpereigene Dating-App vorstellen, die an Stelle von potentiellen Lebenspartnern nach versteckten Talenten und Lebensaufgaben sucht. Immer wenn es eine Übereinstimmung gibt, tanzt und vibriert der Spiegel, um dem Herzen zu signalisieren, dass es doch mal nachsehen soll, was da gefunden wurde. Das Herz nimmt dann das Bild und schickt dem Gehirn eine Nachricht, in der es um Zusammenarbeit bittet, denn es weiß aus Erfahrung, dass die meisten Errungenschaften im Leben nur dann erreicht werden können, wenn Herz und Kopf an einem Strang ziehen.
Für gewöhnlich reagiert das Gehirn auf derartige Gesuche auf eine der folgenden Arten: Wenn Gehirn und Herz eine solide und kohärente Kommunikation aufgebaut haben, nimmt das Gehirn die aufregende Nachricht des Herzens positiv auf und nutzt all seine Ressourcen, um einen Plan für die nächsten Schritte zu schmieden. Es ist witzig zu beobachten, wie das Gehirn das Herz manchmal ausbremsen muss, wenn sich jenes sozusagen „Herz über Kopf“ in das neu gefundene Projekt stürzen und tausend Dinge gleichzeitig machen möchte. Diese Energie kann sehr ansteckend sein und dem Gehirn helfen, entspannt und positiv an das Neue heranzugehen. Eine gute Balance ist der Schlüssel zum Erfolg, denke ich.
Viele von uns tun sich jedoch etwas schwer mit so positiven Reaktionen auf die Entdeckungen des Spiegels der Bewunderung. Unser Gehirn wurde vom kleinen Kritikmonster heimgesucht und besetzt. Dieses nörgelige Wesen sitzt mitten in unserem Gehirn und erklärt uns immer wieder, warum dies oder das für uns eh nicht funktionieren wird, warum wir zu diesem oder jedem ja eh nicht in der Lage sind und warum wir eh scheitern werden, usw. Das kleine Kritikmonster hat ein gewaltiges Gedächtnis und erinnert sich an jedes noch so unscheinbare Wort der Entmutigung, das je irgendjemand mal zu oder über uns gesagt hat. Wie oft hattest du nicht schon den folgenden Dialog mit dir selbst: „Mensch, was würde ich dafür geben dies oder jenes auch tun zu können.“ Worauf eine kleine Stimme in unserem Kopf antwortet: „Tja, Pech gehabt, du kannst es aber nicht. Und ich werde dir auch genau sagen, warum. Gib mir nur ein wenig Zeit und ich werde dich überzeugen. Du wirst schon sehen.“
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Die Stimme gehört dem kleinen Kritikmonster, das dem Gehirn das Gehirn wäscht, woraufhin das Gehirn dem Herzen eher negative und entmutigende Nachrichten auf die Anfrage nach Zusammenarbeit zurückschickt. Wie ein Eimer Wasser auf dem Lagerfeuer der Freude. Das Herz ist traurig und schiebt, was auch immer es war, das diesen Freudentaumel verursacht hatte, in eine dunkle Ecke der Schatzkammer, wo der Spiegel der Bewunderung kaum Chancen hat, etwas zu erkennen.
Die gute Nachricht ist, dass du lernen kannst, das Kritikmonster zum Schweigen zu bringen. Letztendlich ist es das Produkt deiner eigenen Gedankenwelt, auch wenn es manchmal universelle Wahrheiten zu sagen scheint. Ich werde dir ein Geheimnis verraten: Das kleine Kritikmonster mag es nicht so gerne, beobachtet zu werden, und schon gar nicht, dass man über es redet. Da fühlt es sich unwohl und zieht sich lieber zurück und hält die Klappe. Das stimmt, mein Ehrenwort. Es wird immer wieder neue Versuche starten, wieder mehr Macht über das Gehirn zu erlangen, aber einmal anstarren und belächeln und es kriecht wieder in seine Höhle und versteckt sich. Probiere es aus. Frag dich, woher das Kritikmonster seine Ideen hat. Wer war es in deiner Vergangenheit, der bewusst oder unbewusst vermeintliche Wahrheiten über dich ausgesprochen hat? Kannst du es herausfinden? Und kannst du dir dann selbst gut zureden, wenn das Kritikmonster mal wieder seine hässlichen Botschaften an dich heranträgt?
Sobald du nämlich eine gesunde Kommunikation zwischen Herz und Kopf hergestellt hast, wirst du Erstaunliches erleben. Immer wenn du in jemand anderem etwas siehst, das deinen Spiegel der Bewunderung zum Singen und Tanzen bringt, wird dein Herz eine Nachricht nach oben schicken und du wirst bereit sein, sie zu empfangen. Vielleicht hast du Lust, diese Nachrichten aufzuschreiben, eine dieser berühmten Listen zu erstellen, die du dann in einem ruhigen Moment anschauen kannst. Was steht drauf? Dass du an einem Freund bewunderst, wie toll er zeichnen kann? Oder an deiner Cousine, dass sie mit dem Rucksack durch Europa tourt? Oder an jemand anderem, dass er vor Publikum sprechen kann? Was auch immer es ist, es ist etwas, das du in dir trägst, aber nie versucht hast. Hättest du es nicht in dir, würde dein Spiegel der Bewunderung es nicht erkennen. Natürlich bist du nicht genau wie die anderen und kannst ihnen Dinge nicht einfach 100% nachmachen. Das wäre nicht authentisch und würde eventuell schief gehen. Aber du kannst deine eigene Art finden, es umzusetzen, ganz nach deinem Geschmack, deinen Fähigkeiten und Vorlieben. Mit kleinen Schritten fängt es sich am besten an.
Beobachte dabei, wie dein Kritikmonster darauf reagiert, und schau, was es dir zu sagen hat. In gewisser Weise ist auch das Kritikmonster ein Lehrer und wir tun gut daran, unseren Lehrern zuzuhören.
Ohne an eine bestimmte Situation anzuknüpfen, kannst du dir folgende Fragen stellen:
Wen bewunderst du und wofür?
Wen hast du früher bewundert und wofür?
Freunde und Verwandte, Kollegen oder Bekannte, geschichtliche oder zeitgenössische Berühmtheiten, usw...
Ich lade dich ein, diesen Gedanken mit dir herumzutragen. Du wirst erstaunt sein darüber, was dir da über den Weg läuft. Als ich noch in der Grundschule war, konnte ein Junge aus meiner Klasse unglaublich gut Geschichten schreiben. Seine kreativen Aufsätze waren mehrere Seiten lang, während ich Mühe hatte, auch nur eine Seite zu füllen. Ich muss damals sehr beeindruckt gewesen sein, dass ich mich da immer noch dran erinnere. Gleichzeitig konnte ich dieses Talent in mir selbst nicht erkennen und so verbrachte ich die darauf folgenden 25 Jahre damit zu glauben, dass ich nicht in der Lage bin, zu schreiben. Ich habe nicht mal Tagebuch geschrieben. Ich habe es nicht mal versucht. Im Studium hatte ich mich dann davon überzeugt, dass es ja super ist, Übersetzerin zu werden, da ich Sprachen faszinierend fand, in dem Beruf aber keine Texte selbst verfassen muss. Da war das Kritikmonster sehr erfolgreich. Und jetzt? Jetzt schreibe ich, erfinde Geschichten und Metaphern, und finde es großartig.
Ich wünsche dir viele schöne Überraschungen und Entdeckungen auf deiner Reise. Möge dein kleiner Spiegel der Bewunderung tanzen und singen und all die wundervollen Talente ans Tageslicht bringen, die in dir verborgen liegen.
Mögest du deinen Weg und deine Aufgabe im Leben finden.
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